Maria aus Schwabing möchte wissen, ob ich mir erklären kann, warum sie selbst solch eine Corona-Angst hat und einige Leute aus ihrem Bekanntenkreis überhaupt nicht. Sie bewerten die Lage völlig anders und sind teilweise sogar wütend auf Maria, weil sie die Maßnahmen der Regierung verteidigt.
Corona-Angst hat mehrere Gesichter. Die Sorge um die Gesundheit ist nur eines davon. Foto: Marina Vitale / unsplash
Corona-Angst und das Geheimnis der drei Angst-Gesichter
Dieses Phänomen, das Maria beschreibt, trifft nicht nur auf die Corona-Lage zu. Es findet sich in nahezu allen Lebensbereichen wieder, in denen Menschen aufeinandertreffen. Nur befinden wir uns seit Pandemiebeginn in solch einer andauernden Belastungssituation, dass es besonders ausgeprägt zutage tritt. Hinzu kommt noch die enorme Gruppengröße der Betroffenen, da in diesem Fall ja ziemlich jeder darin involviert ist.
Ich nenne die Tatsache, dass uns Ängste (oder eben die nicht vorhandenen Ängste) anderer Personen manchmal völlig unverständlich erscheinen, das »Geheimnis der Angst-Gesichter«. Denn Ängste zu bestimmten Themen haben verschiedene Facetten, laufen am Ende faszinierenderweise jedoch meist auf das gleiche Ziel hinaus. Nehmen wir als Beispiel die Corona-Angst.
Erstes Gesicht der Corona-Angst: Gesundheit
In Pandemiezeiten ist die Sorge um die Gesundheit wohl die offensichtlichste Corona-Angst. Die Frage, was das Virus in unserem Körper anrichtet und ob es auch langfristige Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, war und ist für viele allgegenwärtig. Für sie ist die Möglichkeit der Impfung deshalb ein absoluter Segen, während andere wiederum genau davor Angst haben. Die Corona-Gesundheitsangst ist für beide Gruppen seit Monaten ein täglicher Begleiter, dabei möchten sie doch im Grunde nur eines: Ein lebenswertes Leben führen.
Drei Personen, drei verschiedene Ängste. Wer entscheidet, welche dieser Ängste mehr »wert« ist? Foto: Pexels / pixabay
Zweites Gesicht der Corona-Angst: Existenz
Es gibt viele Menschen, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Die Schulden türmen sich bis zur Decke, die Rücklagen für den Ruhestand sind aufgebracht. Und das, obwohl sie sich akribisch an alle Auflagen gehalten und Unsummen in Schutzmaßnahmen investiert haben. Sie sehen kein Land mehr und wissen nicht, wie es weitergeht. Wovon sollen sie zukünftig leben? Das Damoklesschwert der Altersarmut ist ihr täglicher Begleiter. Dabei möchten sie doch im Grunde nur eines: Ein lebenswertes Leben führen.
Drittes Gesicht der Corona-Angst: Totalitarismus
Menschen, die sich für eine Impfung entscheiden werden als »verblödete Schlafschafe« bezeichnet und solche, die die Impfung nicht in Anspruch nehmen möchten als »unsolidarische Aluhutträger«. Beides oft, ohne die Beweg- und Hintergründe der einzelnen Person dafür überhaupt zu kennen. In einer demokratischen Welt, in der die Wortwahl immer mehr an Härte gewinnt und manche Menschen davon absehen, zu sagen, was sie wirklich denken, wächst auch die Angst vor Totalitarismus. Die Sorge vor einer Zukunft, in der jeder Schritt kontrolliert wird, Willkür herrscht und bei »Fehltritten« der Zugang zum Geldsystem oder zum Arbeitsmarkt einfach abgeschnitten wird. Es gibt einige Länder, in denen das längst Usus ist. Ich sage nicht, dass wir in Deutschland darauf zusteuern, sondern nur, dass die Angst davor in der Gesellschaft teils sehr ausgeprägt vorhanden ist. Ob wir das persönlich nun gerechtfertigt finden oder nicht. Dabei möchten auch diejenigen, die dieser Corona-Angst unterliegen im Grunde ebenfalls nur eines: Ein lebenswertes Leben führen.
Drei Gesichter, ein gemeinsames Ziel
Die Corona-Ängste der Menschen sind also völlig unterschiedlicher Natur, laufen aber alle auf den gleichen Punkt hinaus: Ein lebenswertes Leben zu führen. Ist nun eine Angst weniger »wert« als die andere? Ist eine irrationaler als die andere? Für uns selbst vielleicht schon, da unser eigener Schwerpunkt nur in einer dieser drei Ängste liegt und der uns damit näher ist. Das ist jedoch ein subjektives Empfinden. Denn zoomen wir einmal raus und betrachten die Dinge aus der Vogelperspektive, dann bleibt lediglich eins übrig: Angst. In welchem der drei Bereiche sie auch immer zu Hause ist.
Vom gemeinsamen Anfang bis zur Spaltung der Gesellschaft
In der Bedürfnispyramide erkennen wir deutlich, an welcher Stelle wir als Gesellschaft in Sachen Corona-Angst auseinanderdriften und der Pandemieablauf bestätigt das ebenfalls. Auf der überlebenswichtigen Basisebene ticken wir Menschen weitgehend gleich: Wir brauchen ausreichend Nahrung und ein Dach über dem Kopf. Die Sorge, dass das gefährdet sein könnte, erklärt vielleicht den Run auf Toilettenpapier und Konservendosen am Anfang der Pandemie.
Egal, um welche Art der Corona-Angst es sich handelt: Lassen wir es bis zur Perspektivlosigkeit und Ohnmacht kommen, kostet sie uns die seelische Gesundheit. Foto: Alexandra I. / unsplash
Corona-Angst Gesundheitsgefahr: alle Menschen in einem Boot
Dann geht es weiter auf die zweite Ebene, wo wir unter anderem die körperliche und seelische Gesundheit finden. Das Bedürfnis nach einer körperlichen Grundgesundheit ist bei jedem vorhanden – das liegt in unseren Urinstinkten. Deshalb haben zu Pandemiebeginn die meisten Menschen zusammengehalten, den ersten Lockdown mitgetragen und alles andere erst einmal hinten angestellt. Denn niemand wusste genau, was da auf uns zukommt und wie schlimm die ganze Sache ist. Ich kenne kaum jemanden, der zu diesem Zeitpunkt kein Verständnis für die Entscheidung der Politik hatte. Fast jeden beschäftigte eine gemeinsame Corona-Angst: die der körperlichen Gesundheit.
Die seelische Gesundheit – eine individuelle Sache
Im weiteren Verlauf jedoch rückten die beiden anderen Gesichter der Corona-Angst, die Existenzangst sowie die Angst vorm Totalitarismus, bei jeder Entscheidung der Politik weiter in den Vordergrund. Nicht bei allen, sondern nur bei manchen Menschen. Kennen wir die Hintergründe der Bedürfnispyramide, leuchtet der Grund dafür ziemlich schnell ein: Die unterschiedlichen Sozialisierungen, die durchlebten Erfahrungen und die individuellen Veranlagungen beeinflussen die Voraussetzung für die seelische Gesundheit eines Menschen enorm. Die einen rufen nach einem starken Staat mit einem Maximum an Kontrolle und Sicherheit, die sie für ihren Seelenfrieden brauchen. Für die anderen ist eine möglichst große Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung für die seelische Gesundheit dagegen unerlässlich. Dieses Empfinden sucht sich keiner aus, es ist einfach da.
Ich denke, das erklärt, warum inzwischen nur noch bei einem Teil der Gesellschaft die Gesundheitsangst im Vordergrund steht. In meinen Augen sollten wir jede dieser Ängste ernst nehmen und uns um einen Mittelweg bemühen, der alle Seiten einbezieht. Auch wenn sie sich voneinander unterscheiden, läuft es am Ende doch auf eins hinaus: Wir sind Menschen, die sich nach einem lebenswerten Leben sehnen.
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