Jenny aus Solingen versucht immer wieder, mit ihrer Freundin eine Corona-Diskussion zu führen. Dabei muss sie sich mit Aussagen auseinandersetzen, die ihrer Ansicht nach völlig unzutreffend sind – von denen die Freundin allerdings felsenfest überzeugt ist. Jedes Mal endet das Gespräch im Streit. Sie möchte von mir wissen, wie sie damit umgehen kann, ohne die Freundschaft zu gefährden.
Game over? Ist eine objektive Corona-Diskussion mit Freunden oder der Familie noch möglich? Foto: Tumisu / pixabay
Zwei Meinungen, ein Problem
Was nun folgt, ist meine persönliche Sicht der Dinge in Sachen Freundschaftserhalt und Beziehungskitt – keine Bewertung oder Darstellung der Corona-Thematik an sich.
Was meinst du, zu welchem »Meinungslager« Jenny gehört? Es ist aus der beschriebenen Problemstellung heraus nicht klar ersichtlich, oder? Und es spielt auch keine Rolle, denn die Herausforderung in dieser Frage ist für uns alle die gleiche, egal, welche Haltung wir haben. Leider ändert diese Gemeinsamkeit nichts an der Tatsache, dass kaum ein Thema so tiefe Gräben zwischen Freunden, Familienmitgliedern und Partnern schaufelt wie die Corona-Diskussion. Was bei anderen Angelegenheiten noch irgendwie machbar ist, scheint hier fast unmöglich: die Suche nach einem gemeinsamen Nenner. Warum ist das so und was ist die Konsequenz daraus? Bleibt nur noch der Kontaktabbruch?
Corona-Diskussion am Limit
Wer mich kennt, der weiß, dass ich mich gerne austausche und auch keine handfesten Diskussionen scheue. Im Normalfall geschieht das auf Basis von Fakten, Erfahrungswerten und logischen Schlussfolgerungen. All das hat sich in den letzten Monaten in Bezug auf die Corona-Diskussion zu meinem großen Bedauern nahezu in Luft aufgelöst. Ich sehe inzwischen zwei parallel existierende Welten, deren Anhänger jeweils ihre bevorzugten Befürworter und Wahrheiten haben. Der Glaube daran ist bei vielen mittlerweile so tief verankert, dass die einen die anderen wohl mit keinen Worten der Welt mehr von ihrer Sicht auf die Dinge überzeugen werden. Du denkst jetzt vielleicht: »Ja, aber ich stehe ja auf der richtigen Seite, das muss ich den anderen doch klar machen und sie mitnehmen!« Nun, dummerweise sind die anderen davon ebenso überzeugt. Daraus entstehen stärkste Emotionen, Unmut und Ohnmacht. Das wiederum verleitet zu respektlosem Verhalten, welches häufig in der gegenseitigen Diffamierung, Herabsetzung und Provokation mündet. So sterben Freundschaften und Familien brechen auseinander.
Bei allen Auseinandersetzungen, auch abseits der Corona-Diskussion, hat sich für mich ein entscheidender Punkt herauskristallisiert: Sobald jemand beleidigend wird, haben meist beide Parteien verloren. Mir ist in meinem Leben zumindest noch keine Situation untergekommen, in der der persönliche Angriff in einem Gespräch zum Ziel geführt hat, sondern höchstens zur Beschädigung der Beziehungsebene.
Manchmal führt an einer (thematischen) Auszeit kein Weg vorbei, wenn wir die Beziehung retten möchten. Foto: Gerd Altmann / pixabay
Leben und leben lassen – ein Lösungsansatz
So viel zur Ist-Situation, wie sie sich aus meiner Beobachtung heraus darstellt. Nun bin ich wahrlich keine Freundin der vorschnellen Kapitulation und glaube aus tiefstem Herzen, dass es der Anfang vom Ende ist, wenn wir aufhören, miteinander zu reden. Doch alle Dinge zu ihrer Zeit. Manchmal ist es einfach gesünder, das Thema vorübergehend auszuklammern, wenn kommunikationstechnisch gerade überhaupt kein Land in Sicht ist. Wer über diesen Punkt hinausgeht, wechselt oft automatisch von der Sach- auf die Beziehungsebene – weil auf der Sachebene kein Erfolg mehr zu erwarten ist, werden wir persönlich. Und dann kann es schnell ziemlich verletzend und hässlich zugehen. Davon hat letztendlich niemand etwas.
Gönnen wir der Sache lieber eine Auszeit, bevor wir diese Linie überschreiten. Das bedeutet nicht unbedingt den Kontaktabbruch. Ich selbst setze hier auf absolute Ehrlichkeit und bin damit bisher sehr gut gefahren. Ich sage in solchen Situationen offen, dass wir in diesem Punkt wohl nicht auf einen Nenner kommen werden, die Beziehung mir jedoch wichtig ist (vorausgesetzt, sie ist es mir wirklich). Dann schlage ich vor, das Thema für eine Zeit ruhen zu lassen, und zu den Dingen zurückzukehren, die uns vor Corona zusammengehalten haben.
Welche Karte wählst du in der Corona-Diskussion: Freundschaftskitt oder Game over?
Die Corona-Diskussion hat als Ausgangspunkt durchaus eine objektive Grundlage, auch wenn die aktuell von starken Emotionen verschleiert wird. Damit meine ich weder wissenschaftliche noch politische Fakten, sondern die Beziehung und die Verbundenheit zu deinen Freunden und Verwandten. Ich weiß, es ist schwer, die Ansicht eines Menschen zu tolerieren, die konträr zu deiner eigenen steht. Ich sage hier ausdrücklich tolerieren und nicht akzeptieren, denn das ist ein entscheidender Unterschied. Akzeptieren bedeutet, dass wir etwas annehmen und anerkennen. Tolerieren heißt lediglich, dass wir etwas dulden und ertragen, es jedoch nicht zwangsläufig gutheißen. Toleranz ist somit ein Freundschaftskitt, der sehr viel aushält. Deshalb denke in einer ruhigen Minute erst gut darüber nach, bevor du Beziehungen zu Personen über Bord wirfst, die dir eigentlich am Herzen liegen.
Brennt dir auch ein Thema unter den Nägeln, zu dem du meine Meinung hören möchtest? Dann mal los! Du erreichst mich entweder über mein Kontaktformular oder unter info@tarariedman.de. Ich freu mich auf dich!
Schau dir hier auch meinen Beitrag »Nein sagen lernen – 4 Tipps zum Selbstcoaching« an, in dem es darum geht, sich erfolgreich abzugrenzen.
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Wie kann ich eine Corona-Diskussion mit Freunden führen?
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