Wie entstehen Gefühlsausbrüche und was können wir dagegen tun?
Überrollt uns ein Gefühlsausbruch, ist es oft schwer, ihn mit logischem Verstand wieder einzufangen. Warum sind Gefühle in manchen Situationen eigentlich so dominant, übernehmen die Kontrolle über unser Handeln und machen uns damit zu willenlosen Marionetten? Erst wenn wir darauf die Antwort kennen, können wir aktiv gegensteuern.
Steigen Wut oder Angst in uns auf, sind oft Gefühlsausbrüche das Ergebnis. Foto: Julien I sLrw / unsplash
Emotion? Bitte, gerne! Explosion? Muss nicht sein!
Eines vorweg: Ich mag emotionale Menschen und schätze die Lebendigkeit sehr, die sie mit sich bringen. Dementsprechend wird das nun kein Plädoyer dafür, Gefühle generell zu unterdrücken. Ausgelebte Gefühle sind in meinen Augen für die »mentale Hygiene« gut, wichtig und richtig. Doch gibt es Momente, in denen die Emotionen derart spontan mit uns durchgehen, dass wir Dinge sagen oder machen, die uns hinterher leidtun. Und einmal Gesagtes lässt sich nicht einfach zurückholen. Darum ist es für uns selbst, aber auch für unser Umfeld so bedeutend, zumindest ein gewisses Maß an Kontrolle über unser Innenleben zu bekommen.
So läuft`s ab im Oberstübchen: Gehirn 3 in 1
Wollen wir verstehen, warum Gefühlsausbrüche uns manchmal mit solcher Kraft treffen, müssen wir einen Blick auf die Abläufe in unserem Gehirn werfen. Ich gehe hier jetzt absichtlich nicht in die Tiefe, sondern fasse nur kurz das zusammen, was für uns an dieser Stelle wichtig ist. Grob gesagt ist unser Gehirn in drei Regionen unterteilt, die in einer bestimmten Reihenfolge auf einen Reiz reagieren. Aktiven Einfluss haben wir darauf erst mal nicht, denn hier ist ein unterbewusster Automatismus am Werk.
Schauen wir uns diese drei Hirnregionen näher an: Zuerst wäre da unser Reptiliengehirn. Es ist mit Abstand das Älteste und beheimatet unser instinktives Verhalten sowie unsere Triebe. Als Nächstes kommt das sogenannte Limbische System, mit der hochsensiblen Amygdala als Kernelement, das unsere Emotionen auslöst und auch emotionale Erinnerungen speichert. Der Neokortex ist der Dritte im Bunde und für das logische Denken zuständig.
Reiz und Reaktion: Das Reptiliengehirn springt zuerst an und löst im limbischen System entsprechende Reaktionen aus. Dann erst gesellt sich unser logischer Verstand dazu. Foto: S. Rossign / pixabay
Wie und wann Gefühlsausbrüche in unserem Gehirn entstehen
Sind wir einem Reiz ausgesetzt, geht es also im Reptiliengehirn los. Dessen Output ruft im Limbischen System unsere Emotionen auf den Plan. Das ist nur eine Sache von Millisekunden, aber der Knackpunkt ist: Es dauert fast 17 Mal so lange bis das Limbische System die Infos an den Neokortex »durchgereicht« hat. Das bedeutet: Reiz → Instinkt → Emotion … und wenn die sehr stark ist, folgt jetzt bereits der Gefühlsausbruch, ohne dass unser logisches Denken eine Chance hatte, einzugreifen.
Vielleicht kannst du den Lösungsansatz schon erahnen: Wollen wir Gefühlsausbrüche kontrollieren, müssen wir dafür sorgen, dass unser Neokortex mit ins Spiel kommt und nicht im Vorfeld bereits ausgemüllert wird. Dazu gleich mehr.
Überlebenswichtige und weniger nützliche Gefühlsausbrüche
Jetzt denkst du vielleicht: Was für eine blöde Fehlentwicklung! Warum wirft die Natur uns solche Steine in den Weg und macht es uns so schwer, insbesondere negative Gefühle wie Angst und Wut zu kontrollieren? Nun, das hat einen ziemlich einfachen wie auch wichtigen Grund: Die menschlichen Instinkte im Reptiliengehirn sichern unser Überleben. Stell dir vor, in früheren Zeiten stand plötzlich ein Säbelzahntiger am Höhleneingang. Wenn die Menschen dann erst einmal ihren Neokortex befragt hätten, wie mit der Situation wohl am besten umzugehen sei, wäre das höchstwahrscheinlich ihr letzter Gedankengang gewesen. Kurz gesagt:
• Reptiliengehirn + Limbisches System = Spontanreaktion (z. B. Gefühlsausbruch oder FFF-Reflex – fight, flight or freeze / kämpfe, flüchte oder stell dich tot)
• Reptiliengehirn + Limbisches System + Neokortex = durchdachtere Reaktion
Gut zu wissen: Was uns oft auf die Füße fällt ist die Tatsache, dass unser Gehirn nicht zwischen realer Gefahr (Säbelzahntiger vor unserer Nase) und der Angst vor einer solchen unterscheiden kann. Es reagiert exakt gleich. Deshalb erleiden einige Menschen auch einen Blackout bei einem Vortrag. Sie haben Angst, sich zu blamieren, und damit aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden – das ist quasi einer der »Säbelzahntiger« unserer Zeit. Er ruft eine tief im Reptiliengehirn sitzende menschliche Urangst auf den Plan, denn früher kam der Ausschluss aus der schützenden Gruppe einem Todesurteil gleich. Der Körper antwortet instinktiv mit dem FFF-Reflex. Auf der Bühne während eines Vortrags ist der Befehl »Kämpfe« oder »Flüchte« eher unangebracht. Das weiß auch unser Reptiliengehirn und das Limbische System. Sie bewerten die Lage ultraschnell in Eigenregie und wechseln zum letzten Strohhalm: Stell dich tot = Blackout / Erstarren. Mehr dazu findest du in meinem Artikel »Blackout vermeiden« (Link folgt, sobald der Beitrag online ist).
Entspann dich mal, Reptilienhirn! Wissen wir, wie unser Gehirn tickt, können wir es besser kontrollieren. Foto: Anemone123 / pixabay
Drei, zwei, eins … Gefühlsausbruch?
Eben haben wir schon festgestellt, dass wir uns im ersten Schritt etwas mehr Zeit verschaffen müssen, um Gefühlsausbrüche als unreflektierte Spontanreaktion zu vermeiden. Den Anfang hast du bereits gemacht: Du kennst die Abläufe nun und weißt, wo es hakt. Wie verschaffst du deinem Gehirn nun mehr Zeit und verhilfst deinem Neokortex zur Chance auf seinen Einsatz? Eine Möglichkeit ist beispielsweise die STOPP-Technik. An dieser Stelle reiße ich sie nur kurz an, wenn du mehr darüber wissen möchtest, findest du hier einen Beitrag in der Kategorie Selbstcoaching dazu (Link folgt, sobald der Artikel online ist).
Die STOPP-Technik: Zwei Effekte gegen spontane Gefühlsausbrüche
Die STOPP-Technik wurde eigentlich entwickelt, um das Gedankenkarussell im Kopf anzuhalten bzw. aus Gedankenspiralen auszubrechen. Doch meiner Erfahrung nach kann sie durchaus auch gegen spontane Gefühlsausbrüche etwas ausrichten. Sobald du eine Situation kommen siehst, die das Potenzial hat, einen Gefühlsausbruch in dir hervorzurufen, mach dich innerlich bereit. Oft sind es wiederkehrende Trigger, die uns wütend machen. Zum Beispiel, wenn dein Kind oder dein Partner etwas tut oder sagt, was dich auf die Palme bringt. Das sind sehr gute »Trainingsplätze«.
Hat nun dein Kind, Partner oder jemand anders deinen Trigger bedient, rufe sofort STOPP. Gerne auch hörbar ausgesprochen. Dann guckt das Gegenüber zwar manchmal etwas irritiert aus der Wäsche, doch das soll uns nicht stören – schließlich bemühen wir uns hier gerade um Weiterentwicklung. Dann zählst du innerlich von drei rückwärts runter und nimmst bei jeder Zahl einen Atemzug. Drei – atmen. Zwei – atmen. Eins – atmen. Zwing dich dazu, während dieser Zeit nichts zu sagen. Nun ist dein Neokortex bereit. Frag ihn, ob er wirklich sicher ist, dass ein Gefühlsausbruch jetzt der richtige Weg ist. Oft ist ein Gespräch die bessere Wahl oder die (ruhige) Ansage, dass dich das gerade wütend/traurig macht. Eine Alternative kann es auch sein, die Sache einfach zu ignorieren und mit dem fortzufahren, was du gemacht hast, bevor der Trigger anrauschte.
Welchen Film fährst du gerade? Verschaffe deinem logischen Verstand mithilfe der STOPP-Technik Zeit, um gegen spontane Gefühlsausbrüche vorzugehen. Foto: M. Hassan / pixabay
»Gefahrensituationen« frühzeitig wahrnehmen und entschärfen
Ganz wichtig ist hier die bewusste Wahrnehmung, damit wir überhaupt merken, wenn der Explosionsmoment im Anflug ist. Das braucht etwas Übung, also gib bitte nicht auf, wenn es nicht beim ersten Mal klappt. Stellst du nach einem Gefühlsausbruch fest, dass du die STOPP-Technik gar nicht angewandt hast und wieder mal ausgeflippt bist, bist du trotzdem auf dem richtigen Weg. Denn die Erinnerung an die Technik ist zumindest schon mal in deinem Kopf angekommen. Versuche es einfach wieder und wieder, bis es irgendwann funktioniert. Klingt anstrengend? Nun, niemand hat behauptet, dass es einen Knopf gibt, auf den du drückst und sofort von allem befreit bist. Doch es lohnt sich, hier am Ball zu bleiben. Denn kannst du deine Gefühlsausbrüche kontrollieren, ist das für dich und dein Leben ein großes Stück gewonnene Freiheit.
Weitere Möglichkeiten, Gefühlsausbrüche in den Griff zu bekommen
Hat die STOPP-Technik nicht gereicht, ist es manchmal nötig, den Ort des Geschehens zu verlassen. Kleiner Praxistipp: Die Toilette geht immer. Als Mutter weiß ich, dass das manchmal der einzige Ort ist, an dem wir kurz (etwas) Ruhe finden. Hilfreich für manche Situationen ist außerdem die aus dem NLP (Neurolinguistisches Programmieren) stammende Shrink-Taktik und das sogenannte »Ankern«. Nähere Informationen zu diesen Selbstcoaching-Techniken verlinkte ich dir, sobald die Artikel online sind. Wenn du über die Veröffentlichung informiert werden möchtest, statt immer wieder selbst aktiv nachschauen zu müssen, dann abonniere doch einfach meinen Newsletter. So bekommst du einmal im Monat eine Übersicht meiner neuesten Beiträge und erhältst sofort Zugang zum meinem Backstage-Bereich. Hier geht`s zur Anmeldung.
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