Ziele im Blick: Der Leuchtturm – eine Nachdenk-Geschichte

2023-09-10T10:25:12+02:00Kategorien: Nachdenk-Geschichten|Tags: , |

Wie wir unsere Ziele nie wieder aus den Augen verlieren.

Allzu leicht verlieren wir durch Ablenkungen unsere Ziele aus den Augen. Das bekommt auch Nina in meiner folgenden Nachdenk-Geschichte »Der Leuchtturm« zu spüren, denn ihr Ausflug ans Meer verläuft anders als erhofft. Sie ist kurz davor, ihre Pläne über Bord zu werfen und aufzugeben, da trifft sie in einem kleinen Küstenort auf die Inhaberin eines Souvenirladens.

Hast du deine Ziele immer im Blick?

Ein Leuchtturm am Meer weist den Schiffen den Weg. Wer hält dich auf Kurs? Foto: Mathias Westermann / pixabay

Der Leuchtturm

Nina zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und öffnete die Autotür, woraufhin eine sanfte Brise den Duft des Meeres ins Wageninnere wehte. Sie atmete tief ein und lächelte. Wie sehr hatte sie diesen Geruch vermisst. Immer wenn Nina den Weg zu ihrem Elternhaus an die nördlichste Spitze Deutschlands antrat, stand auch ein Besuch bei ihrer Freundin Mona auf dem Programm, die sie seit Kindertagen kannte. Heute sollte es nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder so weit sein. Obwohl sie gemeinsam am Wasser aufgewachsen waren, nannte Mona sie liebevoll-neckend »mein Stadtpflänzchen«, denn die Liebe hatte Nina bereits vor Jahren fort vom Dorf und hinein ins Cityleben geführt. Mona dagegen lebte inzwischen auf einer kleinen Insel vor den Toren der Festlandküste.
­ Nina stieg aus dem Auto, schob die Ärmel ihres dünnen Pullis hoch und streckte sich ausgiebig. Ein Windhauch legte sich um sie – jeder Luftzug, der ihr über die Haut strich, trug ein Stückchen Freiheit in sich. Sie schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab, um den weiß-roten Leuchtturm am Meeresrand besser zu erkennen. Unerschütterlich stolz stand er da, wie immer, wenn sie sich zur Fähre aufmachte, um zu Mona überzusetzen. Er war ihr mittlerweile bestens vertraut. Nina ging zum Kofferraum, nahm die Reisetasche heraus und verriegelte den Wagen mit einem Knopfdruck. Anschließend lief sie den leicht abschüssigen Pfad zur Anlegestelle hinab. Die Mischung aus Sand und Stein knirschte unter den Turnschuhen, jeder ihrer Schritte wirbelte Staub auf. Nina sah sich um. Sonst war es hier wesentlich voller, doch an diesem Tag hatten sich lediglich sechs Leute um einen Mann mit Kapitänsmütze herum versammelt. Nina stellte die Tasche ab und gesellte sich zu der Gruppe, die auf den bärtigen Herrn einredete.
­ »Es tut mir wirklich leid«, beteuerte dieser gerade, als sie zu ihnen stieß. »Das Problem ist in anderthalb Stunden behoben. Um 17 Uhr legen wir ab.«
­ »Um 17 Uhr?«, brauste eine der Frauen auf und schnaubte. »So lange sollen wir hier herumsitzen und warten?«
­ Der Kapitän zuckte hilflos mit den Schultern. »Es geht nicht anders. Entschuldigen Sie, ich muss mich jetzt um die Reparatur kümmern. Um Punkt fünf geht es los«, antwortete er und verschwand im Inneren der Personenfähre.

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Ziele im Fokus − aus den Augen aus dem Sinn?

­Nina seufzte. Sie schaute auf die Zeitanzeige ihres Smartphones und ließ den Blick dann über die Landschaft gleiten. Ein Stück weiter die Küste runter sah sie eine kleine Ortschaft mit reetgedeckten Häusern – eine Siedlung, die ihr vorher nie aufgefallen war. Kurzentschlossen brachte sie ihre Reisetasche zurück zum Auto, schickte eine Nachricht an Mona, dass sie sich verspäten würde, und machte sich auf den Weg in Richtung Dorf. Sie spazierte an einem Strandstück entlang. Neben ihr erhob sich ein Hang, dessen Front durch seine schroffe Gesteinsoberfläche aussah, als sei ein Teil des Festlands mitten aus der Umgebung herausgebrochen. Zwischen den Felsen entdeckte Nina einen Spalt. Interessiert näherte sie sich der Stelle, nahm die Sonnenbrille von der Nase und schob sie sich in ihr glattes Haar. Sie ging in die Knie, angelte ein paar der angeschwemmten Muscheln und durch das Salzwasser verformten Steine aus der Öffnung heraus und breitete sie vor sich im Sand aus. Plötzlich brummte es in ihrer Jacke, die sie sich vor dem Abmarsch sicherheitshalber um die Hüften geschlungen hatte. Zwar waren die Temperaturen frühsommerlich warm, aber die Böen mitunter noch kühl. Nina zog das Smartphone aus der Jackentasche, warf einen Blick auf das Display und rollte mit den Augen. Selbst in der Freizeit holte die Arbeit sie ein. Nachdem sie ihrer Vertretung alle offenen Fragen beantwortet hatte, beendete sie das Gespräch, ließ ihre maritimen Sammlerstücke zusammen mit dem Telefon in die Tasche gleiten und setzte ihren Weg fort. Vor dem Ortseingang angekommen legte sie eine Pause ein und checkte ihre E-Mails, doch irgendwann trieb die Neugier sie aus der digitalen Welt hinaus, hinein in die Gässchen des Küstendorfs. Obwohl die Umgebung rundherum ausreichend Raum bot, standen die einzelnen Häuser nah beieinander, als wollten sie sich gegenseitig vor dem rauen Wind schützen, der die Küste an manchen Tagen heimsuchte. Nina schlenderte über das Kopfsteinpflaster und bewunderte die Sprossenfenster der urigen Bauten, bis sie zu einem Platz gelangte, in dessen Mitte ein Brunnen plätscherte. Die Straßen wirkten verlassen, der Ort erschien ihr wie aus der Zeit gefallen. Sie sah sich um und schnupperte – der Duft frischen Gebäcks stieg ihr in die Nase und ihr Magen erinnerte sie daran, dass die letzte Mahlzeit nicht besonders üppig ausgefallen war. Sie näherte sich einem kleinen Café links des Marktplatzes und ließ sich an einem Tisch vor dem Schaufenster nieder.

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Landschaften am Meer sorgen für Entspannung in der Zielerreichung

Wie können wir den Moment einerseits genießen und unseren Grundkurs trotzdem beibehalten? Foto: Michaela Wenzler / pixabay

10 STORIES of life: Nachdenk-Geschichten über das Leben als Taschenbuch & E-Book
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»Was kann ich für Sie tun?«, fragte eine freundliche Stimme und riss Nina damit aus ihren Gedanken.
­ »Ein Milchkaffee und ein Stück Obstkuchen wären toll«, antwortete sie und lächelte die junge Frau an, die sie mit einem leeren Tablett unter dem Arm aufmerksam anschaute.
­ Die Servicekraft verschwand und kurz darauf stand die Bestellung bereits vor Nina auf dem Tisch. Sie genoss die Zwischenmahlzeit, die wärmenden Sonnenstrahlen und die Stille um sich herum, bis sie einen Souvenirshop auf der anderen Seite am äußersten Rand des Platzes entdeckte. Sie zahlte, ging zu dem Laden hinüber und trat ein. Das Glöckchen über der Tür kündigte ihr Kommen an und Sekunden später schlurfte eine gebrechlich wirkende Dame aus dem Nebenzimmer.
­ »Schauen Sie sich in Ruhe um«, sagte die Frau und ließ sich schnaufend in einen Korbsessel neben der Verkaufstheke fallen. »Die Zeit der Welt bleibt stehen, wenn Sie bei uns verweilen«, fuhr sie fort, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war. »Vielleicht haben Sie Interesse an diesen Gartensteckern mit Solarbeleuchtung? Sie sind gestern eingetroffen.«
­ Nina nickte und schaute in die angezeigte Richtung, wobei ihr sofort ein Solarstab mit Leuchtturmmotiv ins Auge stach. »Der Leuchtturm! Mona! Oh, Gott, wie spät ist es?«, entfuhr es ihr eine Spur zu laut. Die alte Frau zuckte zusammen. Ninas Herzschlag beschleunigte sich, während sie hektisch ihr Smartphone hervorkramte. Das letzte Mal hatte sie am Anleger auf die Uhr geschaut, danach nicht mehr. Das ungute Bauchgefühl bestätigte sich. Sie zog scharf die Luft ein. »Es tut mir leid«, rief sie der Frau über die Schulter hinweg zu, die Türklinke bereits in der Hand. »Ich komme irgendwann bestimmt noch mal vorbei.« Mit diesen Worten rannte sie an dem Brunnen vorbei durch die Gassen bis hin zur Küste. Als sie an dem Pfad ankam, der hinab zum Strand führte, stoppte sie abrupt. Der schmale Sandstreifen, der sie hergeführt hatte, war verschwunden. Die Flut hatte ihr den Weg abgeschnitten. »Verdammt«, stöhnte sie und schlug sich mit der flachen Hand leicht gegen die Stirn. »Das hätte ich voraussehen müssen.« Hastig sah sie sich um und suchte nach einer anderen Möglichkeit, zum Anleger zu gelangen – doch in diesem Moment legte die Fähre ab. Nina schaute ihr hinterher. Sie wusste, dass das die einzige Chance an diesem Tag gewesen war, zur Insel überzusetzen. Wie hatte sie ihr Ziel bloß trotz der Vorfreude so aus den Augen verlieren können?

Erinnerungsstützen für die Zielerreichung

Nachdem sie sich ausreichend mit Selbstvorwürfen bedacht hatte, kehrte sie betrübt in die Ortschaft zurück, um eine alternative Route zum Parkplatz am Leuchtturm zu erfragen. Sie betrat abermals den Souvenirladen, in dem die Dame immer noch in ihrem Korbsessel saß und lächelte. »Schön, dass sie wieder da sind«, begrüßte sie Nina. »Das ging ja schnell.«
­ Nina seufzte. »Schneller als mir lieb ist. Eigentlich sollte ich gerade auf der Fähre stehen und mich auf das Wiedersehen mit meiner Freundin freuen. Und entschuldigen Sie, dass ich eben so überstürzt aufgebrochen bin.«
­ Die Frau nickte. »Ich verstehe. Die Flut hat Sie überrascht.«
­ »Nicht nur das. Ich habe mich ablenken lassen und die Zeit vergessen.«
­ »Sich neuen Eindrücken hinzugeben und den Moment zu genießen ist wichtig«, bemerkte die Frau.
­ »Aber ärgerlich, wenn ich darüber die Fähre verpasse.«
­ »Das ist wahr. Hatten Sie denn kein Denk-dran-Ding?«
­ Nina zog die Augenbrauen hoch. »Ein Denk-dran-Ding? Nein, was ist das?«
­ »Es eignet sich besonders gut für langfristige Ziele, funktioniert aber auch bei kurzfristigen. Obwohl …«, die Frau legte den Kopf schräg. »Für ihr heutiges Vorhaben hätte wahrscheinlich ein simpler Wecker ausgereicht.«
­ Nina schürzte die Lippen und warf einen vorwurfsvollen Blick auf ihr Smartphone, als träge es Schuld an ihrem Dilemma. »Ja, das wäre so einfach gewesen. Aber was hat es mit diesem Denk-dran-Ding auf sich? Sie haben mich neugierig gemacht.«
­ In den Augen der Dame leuchtete es auf. »In welchem Moment ist Ihnen vorhin bewusst geworden, dass Sie von ihrem Ziel abgekommen sind?«
Nina überlegte. »Als ich den Gartenstecker mit dem gläsernen Leuchtturm gesehen habe. Er erinnerte mich an den Leuchtturm am Anleger. Ich verbinde ihn irgendwie mit der Fahrt zu meiner Freundin«, antwortete sie.
­ »Sehen Sie.« Die Frau nickte zufrieden. »Der Leuchtturm war ihr Denk-dran-Ding.«
­ »Es ist also so etwas wie ein Weckruf, wenn wir vom Weg abkommen?«
­ »Ja, das trifft es wohl. Tragen wir es bei uns, ruft es uns unsere Ziele immer wieder in Erinnerung, hält uns damit auf Kurs und macht das Aufgeben unwahrscheinlicher.«
­ Nina dachte kurz nach. »Sie haben recht, so schnell gebe ich nicht auf. Am Marktplatz ist mir eine kleine Pension aufgefallen. Dort übernachte ich und nehme morgen die nächste Fähre. Wer weiß, wofür es am Ende gut ist.« Nina lächelte. »Ach so: Und einen von diesen Leuchtturmanhängern dort hinten hätte ich bitte gerne. Nur für den Fall … Sie wissen schon.«

Leuchtturm in Sicht: Erinnere dich an deine Ziele!

Welches Ziel verfolgst du gerade? Hast du dein Denk-dran-Ding schon gefunden, um den Fokus zu halten? Foto: Phybawi / pixabay

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Ziele im Fokus behalten

Achtsam durchs Leben gehen, sich neuen Eindrücken auch mal hingeben und ganz im Moment verweilen – das alles ist ohne Frage bedeutsam für unser Glücksempfinden. Doch wie oft lassen wir uns im Alltag von diesem oder jenem ablenken und verlieren darüber unser eigentliches Ziel aus den Augen? Wie oft bringen uns Hindernisse, die den direkten Weg versperren, dazu, aus einer kurzen Umleitung einen Pfad ins Nirgendwo zu machen? In einer Welt des Überflusses und der unzähligen Möglichkeiten ist das Risiko, sich zu verirren, höher denn je. Selbst wenn uns etwas sehr wichtig ist, kann es passieren, dass wir den Weg verlassen, ohne es bewusst wahrzunehmen. Oft bemerken wir erst, dass etwas schiefgelaufen ist, wenn wir bereits weit ab vom Schuss sind. Unser persönlicher Leuchtturm kann dabei helfen, die grundlegende Ausrichtung im Blick zu behalten. Wobei ein Leuchtturm natürlich kein Leuchtturm sein muss, sondern irgendein Gegenstand, den wir mit unserem übergeordneten Ziel in Verbindung bringen und der uns an unsere Mission erinnert. Stellen wir ihn uns auf den Schreibtisch, tragen ihn bei uns und lassen wir zu, dass er uns die Richtung weist und auf Kurs hält. Auch wenn wir hin und wieder einen Umweg einschlagen und nahende Klippen umschiffen müssen.

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